Die Eltern, stets in sehr dürftigen, eben noch auskömmlichen Verhältnissen lebend, doch zugleich hoch geachtet und geradezu verehrt, legten größten Wert auf die Ausbildung ihrer drei Kinder. Beide Söhne besuchten das Gymnasium, während die Tochter durch die Eltern privat unterrichtet wurde.
Das in seiner Ausführung sehr qualitätvolle Gemälde des württembergischen Malers Heinrich Michaelis aus dem Jahr 1880 zeigt Wilhelm Volckmar an einem Klavier sitzend, in der Hand die Sonate „die Weihnacht". Dieses Stück wurde als sein besonderes Meisterwerk gefeiert und stand in dem Ruf, eine der besten Kompositionen der Orgelmusik überhaupt zu sein.
Anders als der ältere Bruder Gustav, der später als liberaler Schriftsteller und Theologieprofessor in Zürich von sich reden machte, zeigten Wilhelm und seine Schwester Sophie schon als Kinder eine besondere musikalische Begabung. Während die ältere Schwester bald als gefeierte Konzertpianistin auf Tourneen durch Westeuropa und Skandinavien reiste, bereitete sich Wilhelm, ausgebildet durch seinen Vater, auf ein Leben als professioneller Musi
ker vor. Besondere Förderung, auch in finanzieller Hinsicht, erhielt er von der Schwester des schaumburg-lippischen Fürsten Georg Wilhelm. Prinzessin Karoline vermittelte ihn als Klavierlehrer an den Bückeburger Hof und ermöglichte ihm privaten Geigenunterricht beim Konzertmeister der weithin berühmten Bückeburger Hofkapelle. Für die reformierte Kirchengemeinde in Rinteln übernahm Volckmar in dieser Zeit vertretungsweise das Organistenamt und bereits als 21-Jähriger gründete er 1833 die Liedertafel, Rintelns ersten nichtkirchlichen Chor. Er besteht bis heute und feiert in diesem Jahr sein 175. Jubiläum.
Die frühen Jahre der konsequenten, musischen Förderung, vor allem aber die frühe und selbstbewusste Orientierung über den Rintelner Horizont hinaus, wären ohne das besondere gesellschaftliche Klima im Rinteln des Biedermeiers wohl nicht denkbar gewesen. Denn die Grafschaft Schaumburg, war nicht nur das „Hessische Sibirien", in das die Kasseler Kurfürsten missliebige Beamte und Offiziere strafversetzten, sondern sie stand im Hinblick auf seine zahlreichen Künstler und Literaten auch im Ruf das „Hessische Wunderland" zu sein. Beides, die stark oppositionelle Prägung des bürgerlichen Rinteln und die sprudelnde Kreativität und Mitteilsamkeit vieler seiner Vertreter standen offenbar in enger Verbindung zueinander.
In dieser sozialen Gemengelage wuchs in den Jahrzehnten vor 1848 eine ganze Generation bemerkenswerter Künstler und Intellektueller heran: Der Literat Franz Dingelstedt, der Philologe Franz von Ditfurth, die Maler Christian Kröner, Gustav Süs und Georg Osterwald, der Bildhauer Joseph Drischler, der Politiker und Publizist Friedrich Oetker, der Politiker und Historiker Carl Wilhelm Wippermann, der Physiker Friedrich Kohlrausch und neben vielen weiteren ungenannten auch Wilhelm Volckmar. Allen gemeinsam war der Besuch des Ernestinums. Das damalige wissenschaftliche Gymnasium war auf der Grundlage des früheren Universitätsvermögens finanziell hervorragend ausgestattet und verpflichtete Lehrer und Direktoren, die sich bereits andernorts als Wissenschaftler und Pädagogen einen Ruf ge-