Dokumentation zum Tag der Hessischen Landesgeschichte am 19. September 2009 in Kassel
175 Jahre 1834−2009  Verein für hessische Geschichte und Landeskunde Kassel 1834 e.V

 

Winkelzügen auf dem politischen Parkett in Kassel, aber ein Blick auf die Protagonisten des Projekts zeigt, dass die beiden großen Strömungen, die liberal-konstitutionelle und die eher monarchisch-konservative sehr wohl vertreten waren. Bernhardi, Schubart und Landau gelang es, den Direktor des Staatsarchivs und der Landesbibliothek, Christoph von Rommel, für ihr Anliegen zu gewinnen. Rommel, Jahrgang 1781, Sohn eines Kasseler Theologen, hatte in Marburg Klassische Philologie und Altertumswissenschaft studiert, wurde 1803 in Göttingen promoviert und ein Jahr später auf eine außerordentliche Professur für griechische Sprache und Literatur an die Universität Marburg berufen. Er war gelegentlicher Mitarbeiter an Wielands „Teutschem Merkur“, eine Art Zentralorgan der Aufklärung und der Weimarer Klassik. 1810 ging er an die Universität Charkov in der Ukraine, 1815 kehrte er auf eine ordentliche Professur für Geschichte nach Marburg zurück. 1820 wurde er zum Direktor des hessischen Haus- und Staatsarchivs nach Kassel berufen und zum kurfürstlichen Hofhistoriographen bestellt. 1829 wurde ihm darüber hinaus die Leitung der Landesbibliothek übertragen, ein Jahr zuvor war er in den erblichen Adelsstand erhoben worden. 1822 hatte er eine kleine Schrift über Wilhelm I., den ersten Kurfürsten, veröffentlicht, 1820 war der erste Band seiner im Laufe der Jahre auf zehn Bände anwachsenden „Geschichte von Hessen“ erschienen: ein Opus magnum, das seinen Ruhm als Autorität in Sachen Landesgeschichte begründete. Rommel verfügte demnach über ausgezeichnete Kontakte zum Zentrum der Macht, war bei Hof ein wohlgelittener Mann, der seine Geschichte Hessens ganz der Perspektive der Dynastie verschrieb. „Geschichte“, so lautete sein Credo, ist „die Wissenschaft der Fürsten“, ist der „Spiegel ihrer Taten“.
In gewisser Weise, jedenfalls im Blick auf politische Orientierungen und Präferenzen ein Gegenpart zu Rommel war Bernhardi. Auch er war der Spross eines Theologen, studierte in Marburg Theologie und Philologie, war Hauslehrer in Brüssel, erhielt 1827 in Marburg die Doktorwürde ehrenhalber für eine Schrift, verfasst an der Universität Löwen, wo er zwischen 1826 bis 1829 als Bibliothekar wirkte. 1829 trat er die Nachfolge Jakob Grimms als Bibliothekar der Museumsbibliothek an, seit 1831 war er Bibliothekar an der Landesbibliothek. Bernhardi nahm lebhaften Anteil am öffentlichen Leben, beteiligte sich an der Zeitschrift „Der Verfassungsfreund“, wurde 1833 als Abgeordneter in die Ständeversammlung gewählt, verzichtete als Staatsdiener im Juni 1833 allerdings auf sein Mandat, gründete 1834 in Kassel eine „Anstalt zur Erziehung armer und verwahrloster Knaben“. 1848 errang er ein Mandat für die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, wo er für ein erbliches Kaisertum Preußens, also für die kleindeutsche Lösung eintrat. Er stand dem Kasseler Oberbürgermeister Karl Schomburg nahe, dessen Korrespondenzen aus dem Nachlass er 1845 herausgab. Die Stadt Kassel verlieh ihm 1859 das Ehrenbürgerrecht, nach der Annexion des Kurstaates wurde er 1867 als Nationalliberaler in das preußische Abgeordnetenhaus und in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt. Gesundheitliche Probleme bewogen ihn, das Engagement in den Berliner Parlamenten aufzugeben. Im August 1874 starb er.
Zwei politisch gegensätzliche Temperamente, was die gemeinsame Arbeit im

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