die Trägerin des Groß- und Fernhandels und
entwickelte von Fritzlar aus Handelsbeziehungen
mit europäischen Dimensionen bis nach
Flandern und bis nach Nowgorod in Russland.
Die wirtschaftlich starke Stellung der Stadt
wirkte sich auch auf das Selbstbewusstsein
der Fritzlarer Einwohnerschaft, des Patriziates,
der Zünfte und des Rates insgesamt aus
und reichte soweit, dass man sogar versuchte,
die Mainzer Oberhoheit abzuschütteln und
den Anschluss an Hessen zu vollziehen. Mit
Beginn des Konfessionellen Zeitalters wurde
das Verhältnis zwischen Stadt und Stift, welches
in der Vergangenheit immer wieder einmal
großen Spannungen unterlegen war, erneut
auf eine große Belastungsprobe gestellt.
Das Stift verblieb nämlich beim katholischen
Glauben, während die Bürgerschaft fast geschlossen
zum Protestantismus übertrat. Auch
die Kontrahenten auf Landesebene, nämlich
das Erzbistum Mainz und die Landgrafschaft
Hessen-Kassel, gehörten nunmehr unterschiedlichen
Konfessionen an, nachdem die
Landgrafen 1526 ebenfalls Angehörige der
neuen Religion geworden waren. Durch diesen
Übertritt verlor das St. Petri Stift alle seine
Einkünfte im hessischen Umland, ein Verlust
an wirtschaftlicher Substanz, von dem sich
diese Institution nie wieder erholen konnte.
Die Stadt hingegen konnte bis zum Ende des
16. Jahrhunderts ihre wirtschaftliche Position
halten. Dies belegen Repräsentationsbauten
wie das Hochzeitshaus von 1580 bis 1590
oder der Rolandsbrunnen auf dem Marktplatz
aus dem Jahre 1564. Aber Fritzlar war
nunmehr endgültig durch seine Zugehörigkeit
zu Mainz ökonomisch, konfessionell und
politisch-territorial von seinem Hinterland
abgeschnitten und zu einer Enklave geworden.
Die Gründung der Marburger Philipps-
Universität 1527 durch Landgraf Philipp den
Großmütigen bedeutete auch in intellektueller
Hinsicht einen Abbruch und entscheidenden
Einschnitt. Nunmehr studierte man an der
weltlichen, freieren Universität ohne klerikale
Anbindung. Das St. Petri-Stift verlor auf Dauer
seinen Rang als bevorzugtes Versorgungsinstitut
für diejenigen Adelssöhne, die im
Vererbungsplan nicht berücksichtigt werden
konnten. Der Dreißigjährige Krieg von 1618
bis 1648 mit seinen wechselnden Besetzungen,
Kontributionen, Plünderungen und Seuchen
zerstörte die Wirtschaftskraft der Stadt.
1646 brannte ein großer Teil der Häuser nieder
und nur ein Sechstel der städtischen Bevölkerung
blieb am Leben. Die Schulden dieses
Krieges hatten Stadt und Stift erst 70 Jahre
später abgetragen, ein deutlicher Hinweis auf
die finanzielle Misere Fritzlars im ausgehenden
17. und beginnenden 18. Jahrhundert.
Da man noch vor dem Ausbruch des Siebenjährigen
Krieges den Zuzug nach Fritzlar erschwerte,
erreichte die Stadt erst Ende des
18. Jahrhunderts mit etwa 2.400 Einwohnern
wieder den Bevölkerungsstand von 1618. Die
negativen Folgen des Dreißigjährigen Krieges
wurden von den Auswirkungen des Siebenjährigen
Krieges von 1756 bis 1763 fast
noch übertroffen. Fritzlar, noch immer eine
befestigte Stadt, wurde durch die ununterbrochenen
Einquartierungen und Requirierungen
finanziell schwer getroffen. Im Februar
1761 wurde die Stadt belagert und beschossen.
Die Türme und Mauern wurden schwer
beschädigt und wenig später auch noch geschleift.
Allein das Stift kostete der Siebenjährige
Krieg 30.000 Taler an Kontributionen und
Ernteausfällen. Der Fritzlarer Weinanbau, eine
seit Jahrhunderten gepflegte Tradition, wurde
durch das Abholzen der Weinstöcke als Feuerholz
vernichtet.
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